HÖHLENGLEICHNIS
(RAUMINSTALLATION)

Arbeiten, Installation / Skulptur

HÖHLENGLEICHNIS (Rauminstallation) 2023
Höhlengleichnis 1995

Freda Heyden vor Höhlengleichnis
Kohle, Tinte auf Leinwand 96 × 240 cm
(Foto: Sebastian Kusenberg)


F/F AUSTAUSCH – Ausstellung
21. Oktober 2023 in Hiddingen

FLORIAN BETTSTELLER HOLZSKULPTUREN UND BILDER
FREDA HEYDEN INSTALLATIONEN UND BILDER

Eine Anmerkung zu Freda Heydens Bild „Höhlengleichnis“, 1995
von Christoph Rüther (20. Oktober 2023)

Am 7. Juli 2023 war ich mit Freda auf Burg Lede in Bonn, wo sie in der Gruppenausstellung „Das Fest“ mit Außeninstallation, Skulptur und Zeichnung vertreten war.

Im Vestibül der Burg lagen verschiedene Publikationen der beteiligten Künstler aus und eben auch Fredas Katalog „Gefährten“, den ich längst in digitaler Form besaß, aber noch nie in den Händen hielt. Beim Durchblättern fassten mich besonders der Anfang und das Ende des Katalogs an, denn das letzte Bild ist das „Höhlengleichnis“ von 1995. Gleichzeitig eröffnet sie aber auch den Katalog mit zwei Fotos von Sebastian Kusenberg, die sie kurz nach der Fertigstellung vor ihrem Höhlengleichnis zeigen. Dazu Freda: Ich wollte zu den verschiedenen – ziellosen oder zielorientierten – Wegen, die sich zeigen, diese philosophische Wegbeschreibung ans Kapitel­ und Katalogende stellen, angeregt von Platons Höhlengleichnis. Persönlich scheint mir das Bild an dieser Stelle wie eine Eröffnung. Ende und Anfang zugleich.“

Warum elektrisierte mich plötzlich dieses Bild so? Durch meine langjährige Beschäftigung mit dem Philosophen Hans Blumenberg, die dann 2019 zu dem Kinofilm „Der unsichtbare Philosoph“ führte, war mir das Höhlengleichnis von Platon ganz neu gegenwärtig, denn für den großen Metaphorologen Blumenberg war die „Höhle“ die zentrale Metapher in seiner Anthropologie und stand pars pro toto für die Menschwerdung schlechthin. Sein 1989 letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch hieß folgerichtig „Höhlenausgänge“, in dem er sich auch eingehend mit dem Höhlengleichnis von Platon, der hier Sokrates zitiert, auseinandersetzte.

Was Platon hier erzählt, ist auch eine Art Ur-Kino. Die gefesselten Zuschauer, die nur geradeaus schauen und nicht mal ihre Nachbarn sehen können, bekommen Schattenbilder auf die Wand projiziert, die von Menschen hinter einer kleinen Mauer, die Gegenstände tragen und durch ein großes Feuer dahinter hervorgerufen werden. Wenn jemand spricht, hallt das Echo von der Höhlenwand so zurück, als ob die Schatten sprächen. Für die Gefesselten ist alles, was sich auf der Wand abspielt, die gesamte Wirklichkeit.

Nun bittet Sokrates/Platon sich vorzustellen, wie es wäre, wenn einer der Gefangenen losgebunden und nach draußen ins Freie geführt würde. Diese Person wäre schmerzhaft geblendet und extrem verwirrt. Schließlich erkennt er die Dinge und begreift auch, dass es die Sonne ist, deren Licht Schatten erzeugt. Eigentlich hat er keinerlei Bedürfnisse mehr, in die Höhle zurückzukehren.

Sollte er allerdings an seinen Platz zurückkehren, so müsste er sich wieder an die Finsternis der Höhle gewöhnen, was dauern kann. Daraus würden die Höhlenbewohner folgern, er habe sich oben die Augen verdorben. Er erzählt von dem, was er oben erlebt hat, erhielt jedoch nur Spott zur Antwort. Wenn jemand versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, würden sie ihn umbringen, wenn sie könnten.

Hans Blumenberg meint, der Höhlenmythos vergegenwärtige die Hilflosigkeit des dialogischen Verfahrens, die dialogische Verlegenheit. Dies zeige sich darin, dass der zur Erkenntnis Aufgestiegene und dann in die Höhle zurückgekehrte auf den erbitterten Widerstand der mordentschlossenen Höhlenbewohner stößt: „Nichts ist schwieriger als das Angebot der Freiheit akzeptabel zu machen. … Die Mittel des Rückkehrers reichen nicht aus, Lust auf Nachvollzug der Befreiung zu wecken, weil dies der Dialog von Natur aus nicht kann. … In der Höhle gebe es weder die Neugierde auf das Draußen noch die Disposition der Belehrbarkeit.“

So ist Freda mit ihrem Bild ein geglückter und seltener Beitrag zu einem herausragenden Teil der Ideenwelt gelungen. Ihr Bild geht entschlossen noch einen Schritt weiter, denn die beiden Figuren an den Rändern des Bildes scheinen sich anzuschauen. Während das harte Schwarz der Schattenspiele Bedrohliches aussendet, nehmen ihre Figuren im Gegensatz zur Platon’schen Höhle Kontakt auf. Eine Hoffnung in finsteren Zeiten. Gleich könnten sie sich erheben…

Ich wünsche allen Gästen in der Freda-Höhle in Hiddingen einen anregenden Besuch und finden sie ihren persönlichen Höhlenausgang, denn der Weg in den Garten ist versperrt. Oder um es mit Heinrich von Kleist zu sagen:

„Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist.“ (Über das Marionettentheater)

„There must be some kind of way out of here“
Said the joker to the thief
„There’s too much confusion
I can’t get no relief…

Bob Dylan – All Along the Watchtower